Chronik

von Sonya Artinger - aktualisiert von Katrin Landes (2011)

Einst galten sie als Rebellen und Revoluzzer. Sie wurden beschimpft und ihre Ideen verlacht. In einer Notiz des damaligen Zuchtleiters über eine Jahreshauptversammlung des Pferdezuchtverbandes Oberbayern in München ist sogar nachzulesen: "Die drei Ingolstädter Chaoisten waren auch da". Werner Jordan (…), Artur Landes und Horst Schwab sorgten vor rund vier Jahrzehnten für Aufruhr unter den bayerischen Pferdezüchtern. Das waren die wilden Sechziger. Begonnen hatte es schon vor 1962, aber richtig zur Sache ging's dann 1967/1968. Diese verrückten Ideen, mit denen die damals 19- bis 21-jährigen Pferdenarren den gestandenen und erfahrenen Mannsbildern im alpenländischen Trachtengewand die Zornesröte ins Gesicht trieben, erwiesen sich als Weitblick.

 

Das, was die "Chaoisten" von der Pferdezuchtgenossenschaft Holledau einst forderten, ist heutzutage Standard in der weißblauen Sportpferdezucht - von ihnen gingen richtungweisende Impulse aus. Es grenzte fast schon an Hochverrat damals, norddeutsches Blut von Holsteinern, Hannoveranern oder auch von Westfalen in bayerischen Pferdeadern zu führen. Doch in der Zwischenzeit haben moderne, zeitgemäße Züchter erkannt: Ohne diese Zuchtlinien aus den Hochzuchtgebieten Deutschlands ist „kein Blumentopf mehr zu gewinnen“, geschweige denn eine Siegerschleife bei einem großen Turnier.

 

Die Zuchtgenossenschaft Holledau hat die Entwicklung in Bayern maßgeblich beeinflusst und die bayerische Pferdezucht damit auch dahin gebracht, wo sie heute steht. Mit mittlerweile über 250 Mitgliedern ist sie nicht nur eine der größten, sondern auch eine der erfolgreichsten und die aktivste im Freistaat Bayern. Man gibt sich offen, will sich nicht festlegen auf ein bestimmtes, eng eingegrenztes geografisches Gebiet. Die Mitglieder kommen zum größeren Anteil aus Oberbayern, aber auch aus dem Niederbayerischen, der Oberpfalz sowie dem mittelfränkischen und schwäbischen Bereich. In den benachbarten Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz finden sich Mitglieder genauso wie weit über Bayerns Grenzen hinaus in Nordrhein-Westfalen und Hessen. Und sogar Züchter in Österreich und Tschechien wissen ihre Zugehörigkeit zu den „Holledauern“ zu schätzen.

 

Pferdezucht hat heutzutage europäischen Standard - das weiß man in der Pferdezucht und dies vorausahnend, galt auch schon früher das Prinzip: Der Beste soll der Sieger sein, soll gewinnen.

Die Anfänge

Bereits im März 1917 taten sich mehr als 60 Bauern zusammen und gründeten die "Pferdezuchtgenossenschaft Pfaffenhofen a.d. Ilm". Der Verein hate seinen Sitz in Pfaffenhofen a. der Ilm (Oberbayern) und erstreckte sich über den Bezirk Pfaffenhofen a. d. Ilm und Umgebung - so heißt es auch bereits im § 1 der Satzung. Und weiter: „Die Genossenschaft bezweckt, das im Bezirk vorhandene kräftige Arbeitspferd durch Aufstellung von starken und gängigen Hengsten des oberbayerischen Schlages in Form und Gang zu verbessern. Das Zuchtziel ist ein starkes und entsprechend breites und tiefes Pferd mit guten, ausgeglichenen Körperformen, starken Knochen und freien, räumenden Gängen".

 

Ein ganzer Katalog wurde als "Mittel zur Erreichung des Zweckes" erstellt:

  1. Aufstellung von Zuchthengsten wie sie speziell für die in Betracht kommende Zuchtrichtung geeignet erscheinen.
  2. Auswahl des männlichen Zuchtmaterials durch eine Körung, die unter Leitung eines Landgestütsbeamten vorzunehmen ist.
  3. Erhaltung der besten weiblichen Zuchtprodukte für die Genossenschaftsmitglieder.
  4. Geordnete Stutbuchführung,
  5. Kennzeichnung der angekörten Tiere und deren Nachkommen im jugendlichen Alter durch Stutbuchbrand.
  6. Prämierung angekörter Söhne und im Zuchtbuch vorgetragener Fohlen.
  7. Beschaffung und Verbesserung bereits vorhandener Weide- und Tummelplätze.
  8. Förderung einer sorgfältigen Hufpflege.
  9. Belehrung der Pferdezüchter durch öffentliche Verträge und persönliche Anleitung,
  10. Veranstaltung und Beschickung von Schauen,
  11. Revisionen der Zuchtbuchtiere und Kontrolle der Zuchtleistung,
  12. Schaffung günstiger Absatzgebiete für die verkäuflichen Pferde".

 

Ein ebenso umfangreiches wie weitsichtiges Programm also, das sich die Gründungsväter dieser privaten Vereinigung verpasst hatten. Doch schon bald wurde ihre Eigeninitiative gebremst. Der Staat griff noch im Herbst 1917 nach der Pferdezucht und die Pfaffenhofener "Genossen" wurden ein Teil des neuen "Pferdezuchtverbandes Oberbayern" mit Sitz in München. Dieser sah "die Zucht des Oberländer Pferdes" als seinen Zweck und Berufung an und bestimmte: "In allen züchterischen Fragen sind die Anordnungen des Obmannes des Zuchtverbandes maßgebend".

 

Vorbei war es also mit der Eigenständigkeit. Doch es kam noch viel schlimmer. Erst wurde ihnen die Selbständigkeit und dann im Dritten Reich alles genommen. In Adolf Hitlers Zeit waren Pferde gefragt, die im Krieg eingesetzt werden konnten.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen die Direktiven lange Zeit von München aus. In Ingolstadt-Spitalhof wurde eine staatliche Deckstation eingerichtet, später nach Pfaffenhofen verlegt und schließlich nach Entrischenbrunn in der Hallertau, bevor sie aufgelöst wurde. Die Besitzer im nördlichen Oberbayern wollten ein Gegengewicht zum staatlichen Dirigismus haben, wollten sich nicht nur danach richten, was da "von oben" kam. Vielmehr sollten die Interessen der heimischen Züchter wieder stärker im Vordergrund stehen. Die Bestrebungen waren, das schwere Arbeitspferd in Richtung Sportpferd zu veredeln, doch die alte Basis, die vor dem Krieg vorhanden war, gab’s nicht mehr.

 

Erstmals entstanden private Hengsthaltungen in dieser Zeit als belebende Konkurrenz zu den staatlichen Stationen. Und sie konnten leistungsfähigere und "modernere" Hengste als der Staat anbieten, konnten schneller und kurzfristiger auf die Entwicklungen reagieren. Plötzlich entstand eine Zucht auf ganz großer Breite, die sich speziell auch auf den Hobby- und Sportsektor ausrichtete und nicht nur auf die in der Landwirtschaft gebrauchten Pferde. Peter und Gerd Breitner vom Fohlenhof Ritterswörth bei Geisenfeld spielten dabei eine wichtige Vorreiterrolle. Ihre Hengststation eine der ersten und größten in Bayern, jährlich wurden ihren Hengsten bis zu 150 Stuten zugeführt, es gab viel zu tun für die Herren Hengste….

 

Dann wurde am 31. Mai 1979 die alte, nur noch auf dem Papier existierende Zuchtgenossenschaft, zu neuem Leben erweckt - diesmal als "Zuchtgenossenschaft Holledau" mit Sitz in Ingolstadt-Hagau.

Die Neugründung

Der Pfaffenhofener Claus Hipp hat sich in diesem Zusammenhang um die heimische Zucht sehr verdient gemacht, denn er war derjenige, der die Neugründung als Einladender und Organisator der ersten Sitzungen voran brachte. Richard Carmanns aus Reisgang bei Pfaffenhofen war ihr erster Vorsitzender, Horst Schwab aus Ingolstadt sein Stellvertreter, danach war der Ingolstädter lange Jahre der Chef. Später übernahm der Altmannsteiner Kunibert Dohn das Kommando, ab 1998 stand der Gredinger Max Pfaller an der Spitze und nach dessen Tode ab dem Jahr 2003 war Artur Landes aus Ingolstadt 1. Vorsitzender. Nachdem Landes auf eigenen Wunsch 2010 den Vorsitz in jüngere Hände abgeben wollte, ist nun erstmalig eine Frau an der Spitze der Hallertauer: Anita Schwarz aus Mammendorf.

 

Es ging aufwärts. In der Gründerzeit wurde durch Horst Schwab die Weichenstellung für die heutigen Erfolge verankert. Dieser hatte die Zeichen jener Zeit, in der das Pferd in der Landwirtschaft immer mehr vom Traktor verdrängt wurde, schnell erkannt. Als vorrangiges züchterisches Ziel galt nun das gute Sportpferd und so steht auch in der Satzung: „Zweck der Zuchtgenossenschaft Holledau ist die Förderung und Zucht des Warmblutpferdes zum konkurrenzfähigen Sportpferd im Binnenmarkt.“

 

Die Pferdezuchtgenossenschaft Holledau war die erste Genossenschaft in Bayern, die gezielt den Sport förderte. Dabei traf sie in der Region auf viele aufgeschlossene Reitvereine, die ein offenes Ohr für diese neuen Ziele und volle Unterstützung signalisierten, woraus sich ab diesem Zeitpunkt die Vorreiterrolle in Sachen Pferdezucht innerhalb der weißblauen Grenzen ergab. 

Wertvolles Zuchtmaterial aus dem Norden wurde eingesetzt und in die heimischen Ställe geholt. In Hagau und Ritterswörth gab es erstmals Stutenschauen. So wurde von der Zuchtgenossenschaft die 2-Jährigen-Schau in Bayern und für das Fohlenchampionat von Deutschland (1989) wurde die erste Qualifikation von der PZG-Holledau ausgerichtet.

 

Schaubilder bei Turnieren wurden veranstaltet. Der "Rest von Bayern" schaute staunend auf die Region Ingolstadt. Was damals noch neu und für viele völlig ungewohnt war, gehört heute auch in anderen Genossenschaften zum üblichen "Tagesgeschäft".

 

Doch noch lief nicht alles so harmonisch und rund. Vor der Neugründung und dem danach folgendem Aufschwung lag eine lange Zeit mit heftigen Auseinandersetzungen und lautstarken Wortgefechten zwischen den drei "jungen Wilden" (auch die „drei Eisheiligen" genannt) aus dem hiesigen Raum Ingolstadt und den „Etablierten“ im Bezirksbereich Oberbayern. Die einen wollten nicht einsehen, dass es in der bayerischen Zucht im alten Trott auf eingefahrenen Gleisen so weiter gehen sollte, weil die Pferde aus den norddeutschen Bundesländern vorneweg sprangen und die Bayern, so sah’s aus, den Anschluss verpassten, während die Funktionäre es gar nicht lustig fanden, dass ihnen da ein paar dahergekommene "Grünschnäbel" in die „Suppe spuckten“ und einer lieb gewordenen behäbigen Tradition einen langen alten Zopf abschneiden wollten. Erschwerend kam hinzu, dass im oberbayerischen Pferdezuchtverband auch noch die Interessen dreier verschiedener Richtungen aufeinander prallten: Hier die Züchter von Kaltblutpferden und Haflingern, dort jene, die auf das sportliche Turnierpferd setzten.

 

Zentrale Stutenschauen und Zuchtbucheintragungen - wie sie es in Norddeutschland erlebten - forderten die "Jungen Wilden" als sofortige und unverzügliche Maßnahme auch für Bayern. Weil eben nur hier echte Vergleichsmöglichkeiten gegeben waren und nicht mehr ein Gang von Hof zu Hof und eine Bewertung der Tiere unter "Spezln", bei der doch gern mal ein Auge zugedrückt worden war, sein sollte. Und immer stand die zentrale Forderung: "Neue Blutlinien braucht das Land“ - solche, die für den Sport beliebt, bekannt und gefordert sind, im Vordergrund.

 

Die bundesweiten Zuchten wurden verglichen - Springpferde wurden in Holstein gemacht - Dressurpferde in Hannover. Auch Westfalen bot aktuelles, interessantes Blut. Werner Jordan, ausgestattet mit exzellentem Fachwissen, ein wandelndes Lexikon in Sachen Springpferdezucht, war damals schon von der Effizienz der Holsteiner Springpferde dermaßen überzeugt, dass er von so manchem als "besessen" oder schlimmer noch als „Spinner“ und „Querulant“ ob dieses neuen Denkens belächelt und abgetan wurde.

 

Heutzutage und im Nachhinein betrachtet weiß man, Werner Jordan war seiner Zeit weit voraus, er war der absolute Vorreiter in Sachen Springpferdezucht.  

Heutzutage

Heute ist die PZG Holledau "Die Genossenschaft, bei der sich was rührt". Unser Anliegen ist es,  ein effektives Netzwerk für die Mitglieder in Zucht, Haltung, Ausbildung sowie in der Vermarktung von Pferden zu sein.  

 

Zucht und Sport: Hand in Hand“ – das ist unser Motto. Und so freuen wir uns, dass wir neben den Züchtern eine stattliche Zahl an Ausbildungsbetrieben,  Hengsthaltern und Deckstationen unter unseren Mitgliedern haben. Maßgeblich an den Erfolgen, der von uns für den Sport gezüchteten Pferde, sind auch eine sehr große Zahl an (Berufs-) Reitern beteiligt.

 

"Pferde aus Bayern in alle Welt" war einige Zeit der Slogan auf dem Briefkopf der Pferdezuchtgenossenschaft Holledau. Etwas zu hoch gegriffen, konnte ein Außenstehender vielleicht meinen. Mitnichten! Pferde unserer Mitglieder stehen ständig im Rampenlicht. Jahr für Jahr sorgen sie für hochkarätige Erfolge, die sich sehen lassen können. Einen Auszug unserer Erfolgsliste aus Zucht und Sport des vergangenen Jahres finden Sie in unserem aktuellen Flyer.